„So richtig weggeflasht“

Mit 19 Jahren kam Daniel Kontsch (NFÖ Graz) erstmals mit dem Klettersport in Berührung. Ein guter Freund, der gerne Mehrseillängen geklettert ist, war auf der Suche nach einem Partner. Der Steirer hat sich nicht lange bitten lassen, war vielmehr schnell von dem Sport begeistert.

 

Bald war Kontsch mehr Zeit in der Kletterhalle als er sich mit seinem Studium beschäftigt hat. „Wir waren in der Zeit sehr viel im hochalpinen Bereich unterwegs, haben Gletscher überquert und sind viel Eisklettern gewesen. Das Training in der Halle haben wir für unsere Outdooraktivitäten genutzt – es stand nie der Wettkampfcharakter im Vordergrund, viel mehr haben wir den Sport mit all seinen Fassetten genossen“, blickt Kontsch, der 2018 seine eigene Firma gegründet hat, zurück. Mit seinem Unternehmen, das mittlerweile 25 Fachhändler beliefert, hat der Steirer verstellbare Maulkörbe für Hunde entwickelt und am Markt etabliert. Nach zwei Corona-bedingt schwierigen Jahren, soll in Kürze der nächste Schritt Richtung Expansion erfolgen.

 

Ein Ausflug der das Leben verändert

 

2009 veränderte ein Motorradunfall sein Leben. Es dauerte knapp ein Jahr, ehe der heute 35-Jährige nach seinem Krankenhausaufenthalt und dem ganzen Reha-Prozess wieder nach Hause kam und fortan an den Rollstuhl „gefesselt“ war. „Ich habe nach dem Unfall zwar noch einmal versucht zu klettern, aber es war schwierig. Es gab noch keinen Plan, wie Paraclimbing funktionieren kann. Da habe ich schnell die Lust verloren und bin zum Rollstuhlbasketball gewechselt, da gab es Teams und eine bestehende Struktur. Und das wichtigste, es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Knapp 7,5 Jahre habe ich das als professionelles Hobby bei nationalen und internationalen Bewerben ausgeübt, ehe es dann per Zufall doch wieder zurück zum Klettern ging“, erklärt der Steirer.

 

Pionierarbeit für Kletterer im Rollstuhl

 

Für die Rückkehr zum Klettersport spielte die Weltmeisterschaft in Innsbruck eine sehr große Rolle. Es wurden viele Menschen mit Handicap eingeladen, den modernen Sport in Graz einmal auszuprobieren und hinein zu schnuppern. Gemeinsam mit Angelino Zeller (NFÖ Graz), der in dieser Phase nach seinem Unfall 2017 gerade seine Reha absolvierte und aufgrund seiner Industriekletterei schon einen Kletter-Backround hatte, besuchte Kontsch die Veranstaltung. Dem Duo war das „ein bisschen Schaukeln“ schnell zu langweilig und versuchte daher schnell, wie weit sie mit dem Hangeln nach oben kommen. Und das blieb nicht unbeobachtet. „Eine Trainerin vom Klettverband Österreich hat uns gesehen und wir haben uns scheinbar nicht so blöd angestellt. Daraufhin haben wir eine Einladung zu einem Trainingslager nach Innsbruck bekommen. Gini (Anm.: Angelino Zeller) war mit seiner Reha eingespannt und ich mit meiner Firma – von daher haben wir es immer etwas nach hinten geschoben. Ein Monat vor der Heim-WM wurde für uns extra ein Trainingslager organisiert – da sind wir dann hin und konnten sofort die Kriterien für den A-Kader und die Qualifikation für die WM erfüllen. Wir haben dann gleich unser Outfit bekommen mit dem Satz: Sehr cool, dann sehen wir uns in einem Monat bei der WM“, erinnert sich Kontsch zurück, der dann mit Zeller mit Marco Lamprecht einen Trainer in Graz zur Verfügung gestellt bekommen hat.

 

Heim-WM als Initialzündung

 

Die Weltmeisterschaft hat das Duo dann „so richtig weggeflasht“ und es war für die beiden klar, dass das ihr Hauptsport werden sollte. Vor allem die Integration neben allen anderen Bewerben imponierte den Steirern.  Seit diesem Tag ist in puncto Paraclimbing viel passiert. Zeller hat sich als zweifacher Weltmeister als heimisches Aushängeschild der Szene etabliert und ist somit die beste personifizierte Werbekampagne für das heimische Paraclimbing. „Gini ist ein Segen für uns alle. So werden viele Leute auf den Sport aufmerksam und wir bekommen oftmals eine Plattform. Wir sind eine super Gruppe in Graz und lieben, was wir tun. Das gute ist, wir haben im Training immer eine Benchmark und wissen schnell, ob wir mithalten können, oder woran wir arbeiten müssen. Das ist für uns alle eine tolle Situation und wir profitieren voneinander. Egal ob es um die Technik geht, wie man am besten pendelt, oder man sich nur die Routen gemeinsam durchspricht. Es geht alles in eine sehr gute Richtung, die Arbeit wird Früchte tragen und es werden einige junge Athletinnen und Athleten nachrücken“, gibt der 35-Jährige, der als ruhiger, fokussierter und lösungsorientierter Mensch bekannt ist, interessante Einblicke.

 

Ziel: WM-Medaille 2023 in Bern

 

In Briançon hat Kontsch als Vierter knapp seinen persönlichen Medaillentraum verpasst, das soll aber 2023 in Bern nachgeholt werden. „Aktuell kämpfe ich gerade mit Schulterproblemen, das möchte ich heuer so gut es geht wieder in den Griff bekommen. Nach einem behutsamen Aufbau möchte ich in Hinblick auf die nächste Weltmeisterschaft wieder richtig Gas geben. Ich werde alles versuchen, dass ich in meiner Kategorie um eine Medaille mitklettern kann – das wäre mein großer Traum“, gibt der Steirer einen kleinen Ausblick.

 

Die Nacht unterm Sternenhimmel

 

Als Selbstständiger, der auch als Leistungssportler seinen Weg geht, bleibt am Ende des Tages nicht mehr viel Zeit. Die wenigen Momente, die aber bleiben, weiß Kontsch für sich zu nutzen. Zu Hause hat er sich eine kleine „Wohlfühloase“ eingerichtet – das ist auch jener Ort, wo er vom stressigen Alltag abschalten kann und seine Akkus wieder auflädt. Aber da gibt es noch etwas, wo der Paraclimber seine innere Ruhe findet. „Ich habe mir letztes Jahr einen Land Rover Defender gegönnt, bin da sehr viel Off-road unterwegs und suche mir da neue sowie abgelegene Plätze. Ich war schon immer gerne in der Natur unterwegs, aber in Bereiche zu kommen, wo man für sich ist, ist mit einem Rollstuhl gar nicht so einfach. So habe ich jetzt wieder einen Teil von meinem früheren Leben zurückbekommen. Ich liebe es zu tüfteln und habe das Auto etwas umgebaut. Somit komme ich wieder an abgelegene Orte. Ich liebe es unter dem Sternhimmel zu übernachten. Die Berge sind mein Ruhepol und erden mich immer wieder aufs Neue“, findet Kontsch schöne Schlussworte.

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