Pensum steigt linear

Paraclimbing

Beim NFÖ Graz sind mit Weltmeister Angelino Zeller, Daniel Kontsch und Markus Pösendorfer nicht nur drei tolle Burschen beheimatet, sondern auch drei wahre Zugpferde, was das heimische Paraclimbing (Kategorie AL1) betrifft.

Letzterer hat erst Anfang 2022 den Sprung in das Nationalteam des Kletterverband Österreich geschafft, wusste von Beginn an mit seinem Können und seiner Leidenschaft zu begeistern. Mittlerweile hat der 39-Jährige seinen Job als REHA-Techniker – dabei werden Rollstühle individuell angepasst – fast auf null geschraubt. Nur an einem Tag in der Woche geht der Steirer seinem Beruf nach, in der restlichen Zeit gilt der komplette Fokus dem Sport. Und wie man sieht, zahlt es sich aus!

 

In einem ausführlichen Interview gibt Markus Pösendorfer nun spannende Einblicke.

 

Wenn wir am Beginn noch einmal kurz zurückschauen. Wie fällt deine persönliche Bilanz der letzten Saison aus?
Markus Pösendorfer: Für mich war es ein sehr spannendes Jahr. Ich habe beim dritten Anlauf endlich den Sprung in das Nationalteam geschafft. Ich habe dann von Anfang an meine Leistungen gebracht und mich konstant hinter Gini (Anm.: Angelino Zeller) auf Platz zwei eingereiht. Von daher war es ein sehr erfolgreiches Jahr. Ich hatte durch einen Trainerentscheid rasch die Möglichkeit, dass ich zum ersten Weltcup nach Salt Lake City fliegen durfte, das kam dann doch zu diesem Zeitpunkt überraschend. Es war wie in einem Traum. Ich bin einfach mit Herz dabei und das versuche ich jeden Tag zu zeigen. Mein Jahr war wirklich super, da will ich 2023 anschließen.

 

Ein spannendes Jahr 2022 liegt ja bereits hinter uns. Was war für dich das klassische Highlight?
Pösendorfer: Das ist echt schwierig. Der Heimweltcup in Innsbruck ist natürlich eine richtig coole Veranstaltung und hat demnach einen besonderen Stellenwert für uns Athleten. Aber auch mein erster Weltcupstart in den USA war ein sehr spezieller Moment für mich. Die Überraschung, dass ich da überhaupt teilnehmen durfte, war nur wenige Wochen nach meiner Aufnahme in das Nationalteam schon sehr groß. Ich war vorher noch nie in Amerika, es war eine richtig coole Reise. Es hat mir echt großen Spaß gemacht, ein neues Land zu sehen, die dortigen Klettergegebenheiten anzuschauen und das dann mit unserem Team zu erleben – da sind viele tolle Erinnerungen geblieben.

 

In den letzten Jahren ist im Paraclimbing sehr viel passiert. Wie siehst du die Entwicklung?
Pösendorfer: Ich war ja nicht von Anfang an dabei, von dem her kann ich zum Start nicht viel sagen. Seit ich aber beim Klettersport dabei bin, hat sich sehr viel getan und es haben immer mehr Menschen zum Paraclimbing gefunden – dieser Trend setzt sich fort. Im letzten Jahr war auch die Schweiz erstmals vertreten und heuer soll von ihnen auch ein Hangler in den Weltcup einsteigen. Diese Entwicklung kann man nur begrüßen. Man muss aber auch unser gesamtes Trainerteam und den Klettverband Österreich hervorheben. Wir haben einen super Verband hinter uns, der uns sehr viele Möglichkeiten schafft und uns in allen Bereichen toll unterstützt. Wir können uns somit voll lauf unseren Sport konzentrieren – das ist megacool. Das ist mir einfach ein Anliegen, damit das auch einmal gesagt wird – wir sind für den Support sehr dankbar. Ich hoffe, dass wir in Österreich da ein gutes Beispiel für andere Länder sein können, damit die Paraclimbing -Community auch international weiterwachsen kann.

 

Apropos Entwicklung. Wie bist du eigentlich zum Klettersport gekommen?
Pösendorfer: Um ehrlich zu sein, hätte ich mir das nie gedacht, dass ich jemals mit dem Klettern anfangen könnte. Gini und Dani (Anm.: Daniel Kontsch) wollten mich immer überreden, dass ich zum Klettern komme. Ich habe es echt lange rausgeschoben, es war nie ein Thema für mich. Irgendwann bin ich dann doch hingegangen, damit ich es erledigt habe. Zu meiner Überraschung ist das echt gleich sehr gut gegangen und ich bin relativ weit nach oben gekommen. Es hat mir dann schnell gut gefallen, weil ich mich richtig auspowern konnte. Da gibt es aber noch einen anderen wichtigen Beweggrund: Wir sitzen den ganzen Tag im Rollstuhl und beim Klettern hängen wir kerzengerade in der Wand. Das hat meinem Körper sehr gutgetan, das habe ich schnell gespürt. Naja, dann bin ich immer öfters hingegangen – der Sport hat mich fasziniert und die Menschen dort waren spitze. Jetzt habe ich meinen Job (Anm.: bis auf einen Arbeitstag) reduziert und konzentriere mich fast nur noch auf den Leistungssport – das war wirklich nicht absehbar.

 

Mit Weltmeister Angelino Zeller habt ihr eine internationale Benchmark in euren Reihen. Wie sehr hilft das im Training?
Pösendorfer: Das ist für uns alle natürlich ein großer Benefit. Wenn man das „Top of the World“ vor sich hat und ihm immer über die Schultern schauen kann, ist das natürlich grandios. Wir trainieren aber nicht nur zusammen, sondern pflegen auch abseits den Kletterhallen eine innige Freundschaft. Daraus resultiert, dass unser Pensum linear steigt. Wenn wir klettern, sehe ich bei ihm eine coole Variante, aber er schaut auch zu meinen Varianten – dann reden wir drüber und tauschen uns aus. Gini ist wirklich ein Tier, er kann von der Kraft her, manche Routen sicherlich zweimal klettern. Aber die Kluft wird kleiner. Wir sind uns in manchen Sachen sehr ähnlich. Das merkt man beispielsweise, wenn wir projektieren. Es hat jeder seine Stärken und jeder greift anders – wir lernen voneinander. Nur so kann Entwicklung funktionieren.

 

Wie groß ist der Wunsch bzw. das Ziel, dass du ihn dann aber auch einmal im Wettkampf schlägst?
Pösendorfer: Natürlich. Irgendwann will ich ihn biegen – das ist mein Antrieb. Es hängt immer davon ab, wie hart man trainiert. Wir trainieren so viel, dass mehr eigentlich nicht mehr geht – es muss ja auch gesund für den Athleten sein. Vielleicht macht er einmal einen Fehler, oder ich bin bei einer Route im Wettkampf wirklich besser. Auf das arbeite ich hin. Wann das sein wird und ob das jemals passieren wird, steht in den Sternen. Ich will meine Leidenschaft weiter ausleben, hart arbeiten und meinen Weg konsequent gehen. Aber zuerst habe ich noch eine andere Challenge zu bewältigen. Letztes Jahr beim Weltcup in Salt Lake City habe ich mit Tanner Cislaw (Anm.: US-amerikanischer Paraclimber) gesprochen, der leider verletzungsbedingt nicht teilnehmen konnte. Ich habe mich lange mit ihm ausgetauscht und ihn nach meiner Leistung gefragt. Die freche Antwort: „Gut, aber ich hätte dich geschlagen!“. Darauf haben wir dann eingeschlagen – das werden wir wohl heuer klären (lacht). Ich denke, wir sind auf Augenhöhe, aber eine gewisse Spannung bleibt bis zum ersten Aufeinandertreffen. Das wird spannend, ich freue mich drauf.

 

Gibt es in deinem Leben eigentlich noch andere Dinge außer Klettern. Irgendwelche Hobbies, von denen wir nichts wissen?
Pösendorfer: Eigentlich komme ich aus dem Offroad-Sport. Nach meinem Unfall 2009 war ich noch viel mit dem Sport Quad unterwegs und bin viel Motocross (Anm.: Orientierung) gefahren. Im April nehme ich jedes Jahr mit meiner Freundin an einem Race in Kroatien teil. Das gibt mir sehr viel und ist gut für meinen Kopf. Aber es lebt immer die Angst mit, dass ich mich verletzen könnte. Eine kaputte Schulter bzw. ein kaputtes Schlüsselbein ist das letzte, was ich brauchen würde. Daher mache ich es aktuell nur mit angezogener Handbremse.

 

Wo lädst du deine Akkus wieder auf?
Pösendorfer: Am besten funktioniert das bei mir zu Hause. Ich habe ein gemütliches Blockhaus, da habe ich meine Ruhe und da werden auch die Batterien am besten wieder aufgeladen. Da spielt natürlich meine Freundin auch eine ganz wichtige Rolle. Es passt dort einfach alles zusammen. Ansonsten gibt es in Innsbruck noch einen Kraftplatz für mich, wo ich mit Gini oft bin. Nicht weit vom Kletterzentrum Innsbruck entfernt, fließen zwei Flüsse zusammen. Da sind wir oft vor einer Veranstaltung – ideal zum Seele baumeln lassen, das Wasser gibt mir dann immer sehr viel Kraft und die Bergkulisse sorgen für einen letzten Energieschub.

 

Angenommen du hättest einen Wunsch frei, wie würde der lauten?
Pösendorfer: Das ist eine schwierige Frage. Wenn man das aufs Klettern bezieht, wären mehrere Veranstaltungen wie in Innsbruck für uns super. Es ist ein spezielles Event, alles Kletter-Asse sind auf einem Fleck. Man gibt sich die Hand und tauscht sich aus. Es macht einfach enormen Spaß. Ich hoffe, dass in naher Zukunft einige andere Länder aufspringen und die Zusammenführung der „normalen“ Kletterveranstaltungen und den Para-Events noch intensiver wird. Wir haben da in Österreich sicherlich eine Vorreiterrolle, aber ich hoffe, dass da noch ein paar Veranstaltungen dazu kommen. Wir waren letztes Jahr beispielsweise beim Masters in Frankfurt. Eine tolle Veranstaltung, vielleicht geht man in Deutschland auch bald einen Schritt weiter – wir als Athleten könnten das nur begrüßen.

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